Wann ist ein Rückzug der Einsprache gegen einen Strafbefehl noch möglich?

Das Bundesgericht hat mit seinem neuen Grundsatzentscheid (BGE 6B_222/2022 vom 18.01.2023) das Strafbefehlsverfahren in einem neuen Licht erscheinen lassen. Insbesondere hat es das Einsprache- und Rückzugsrecht neu definiert beziehungsweise teilweise aufgehoben. Gemäss dem neuen Entscheid ist es nun die Staatsanwaltschaft, die darüber entscheidet, ob und wann ein Einsprecher die Einsprache gegen den Strafbefehl zurückziehen kann.

Die Staatsanwaltschaft ist in ihrem Vorgehen indes nicht völlig frei. Sie ist nämlich verpflichtet, Anklage zu erheben, wenn sie aufgrund der abgenommenen Beweise zum Schluss gelangt, dass die Angelegenheit nicht mehr im Strafbefehlsverfahren erledigt werden kann. Im vorliegenden Fall hat die Staatsanwaltschaft eine Geschwindigkeitsüberschreitung von mindestens 50 km/h als erwiesen erachtet und das Verfahren daher wegen vorsätzlicher besonders krasser Missachtung der signalisierten Höchstgeschwindigkeit im Sinne von Art. 90 Abs. 3 und 4 SVG weitergeführt. Am 9. Juli 2020 brachte sie entsprechend Anklage gegen den Beschwerdeführer.

Der Beschwerdeführer argumentierte, dass die Möglichkeit, die Einsprache zurückzuziehen, erst dann entfalle, wenn die Staatsanwaltschaft tatsächlich Anklage erhoben habe. Das Bundesgericht folgte diesem Argument jedoch nicht. Es stellte klar, dass die Verfügungsmacht der beschuldigten Person, wenn Einsprache erhoben wurde, bis zum Entscheid der Staatsanwaltschaft über den neuen Verfahrensausgang nach Art. 355 Abs. 3 lit. a-d StPO entzogen ist.

Das bedeutet, dass das Rückzugsrecht nur noch dann besteht, wenn die Staatsanwaltschaft am Strafbefehl festhält, indem sie ihn an den Richter überweist. Mit diesem neuen Entscheid kann die Staatsanwaltschaft einem Einsprecher die Möglichkeit entziehen, seine Einsprache zurückzuziehen.

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